Mit Mofa und Gleitschirm durch Australien oder "Der blaue Hummer in Oz"
Wir, Tobias Kaupp und Joachim Feßler, brachen im Februar 2003 zu einer Mofa-Tour in Australien auf.
Ups!! Eine Reise mit Mofas? Ja genau, diese jämmerlichen Dinger, die gerade 25 laufen und schlappe 1,5 Pferde haben. Um die Angelegenheit nicht zu einfach werden zu lassen, haben wir uns für zwei Oldies entschieden: Eine Hercules M4 von 1981 und eine Zündapp M25 von 1970. Zusätzlich hatten wir noch Gleitschirme in einem Hänger dabei.
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Schon bevor wir den ersten Meter in Australien gefahren waren, hat sich die Idee als echte Herausforderung in Logistik, Technik sowie an unseren Nerven geoutet. Mofas kaufen, neue Papiere für die Zündapp besorgen, Luftfracht buchen, Kiste für die Luftfracht organisieren, Einfuhrformalitäten in Australien, Ersatzteile auftreiben, Mofas umbauen, erste Probefahrten im winterlichen Deutschland...
Dann in Australien der Kampf mit den Behörden um die Mofas aus dem Zoll zu bekommen. Danach der Zusammenbau der zerlegten Mofas und eine knapp 6-wöchige und 1721 Kilometer lange Mofa-Tour mit etlichen Pannen, tollen Events, interessanten Leuten und genialen Gleitschirm Fluggebieten - darunter als Highlights Manilla und Rainbow Beach.
Ein unvergessliches Abenteuer, dass wir in der Tour-History dokumentiert haben.
In einer schnelllebigen Zeit braucht man immer mal wieder eine mentale Erholungsphase. Deswegen haben sich Jogi Fessler und ich, Tobias Kaupp, dazu entschlossen, einen Gang zurückzuschalten. Eine Gleitschirm-Tour in Australien war unser Vorhaben – erschwerend sollten die 1721 km mit Mofas bewältigt werden.
Der Plan war einfach: von Sydney nach Brisbane mit normalen, unfrisierten 49 ccm Mofas fahren und unterwegs möglichst viele Fluggebiete abdecken. Jedoch stellte sich bald heraus, dass unser Vorhaben ein größeres Projekt wird mit vielen Vorbereitungen. Jogi war verantwortlich für Mofakaufen, Frachtorganisation und Publicity. Meine Aufgaben waren ein „import approval“ von Canberra zu bekommen - und Gleitschirmfliegen zu lernen.
Hilfreich zur Seite stand uns Tove Simpfendörfer - Leiter Öffentlichkeitsarbeit der FH Weingarten, wo Jogi und ich zusammen arbeiteten. Als alter Australienfan und Buchautor ("Der Teufel geht auf die Jagd - Das Leben des Aboriginals Ernie Holden") unterstütze er uns von Seiten der Fachhochschule aus und gab uns Tipps für unsere Pressearbeit.
Als ich in Sydney angekommen war, hatte ich mich sofort zu einem Gleitschirmkurs bei Patrick Roser angemeldet und hatte von Anfang an viel Spaß und machte schnell Fortschritte.
Jogi’s Ankunft rückte näher und ich hatte noch immer keinen eigenen Schirm. Wir traten in Kontakt mit dem australischen Swing-Importeur Andrew Polidano. Er war von Anfang an begeistert von unserer Idee und bot an, mir einen FreeX-Schirm für unsere Tour zu leihen – dieses Angebot nahm ich dankbar an.
Als Jogi schließlich ankam, war ich fast schon fertig mit meiner Lizenz. Zusammen mit Patrick und anderen Schülern fuhren wir nach Palm Beach zum Zelten und Fliegen und ich bekam endlich meinen Schein. Jogi als Alpinflieger hatte die ersten Gelegenheiten, den Rückwärtsstart zu üben.
In der Zwischenzeit hatten wir alle Hände voll zu tun, die Mofas aus dem australischen Zoll zu eisen und sie für den Trip zusammenzuschrauben. Jogi bzw. Jogi’s Zündapp-Mofa musste den riesigen Gleitschirmsack in einem Einrad-Fahrradanhänger hinter sich herziehen. Mein Leichtgewichtsschirm war wie gemacht für eine Mofa-Tour und wurde auf mein selbst-gebastelten Gepäckträger des Hercules-Mofas gepackt.
Es ging nicht lange, bis wir feststellten, dass diese Tour kein Zuckerschlecken wird. Wir hatten noch keine Erfahrung mit der Gewichtsverteilung und kannten die Tücken der Mofas noch nicht. Der erste Tag war zäh und nach einigen Pannen kamen wir nicht weiter als Nord Sydney.
Am nächsten Tag hielten wir an einer Biker-Kneipe am landschaftlich reizvollen Pacific Highway. Der Eigentümer bot uns sofort an, die Mofas zu kaufen und erzählte uns über den potenzialen Absatzmarkt in Australien. Wir waren weniger beeindruckt, merkten uns aber die Idee für später.
CENTRAL COAST
Nach drei Tagen kamen wir an unserem ersten Fluggebiet an – Central Coast. Begierig darauf loszufliegen, steuerten wir Forrester’s Beach an, wo wir Gleitschirmlehrer Paul Coxy trafen. Der Wind war schon ziemlich schwach, aber Jogi wollte unbedingt fliegen und landete in den Büschen kurz nach Start.
Am nächsten Tag hatten wir fantastische Bedingungen und wir flogen den ganzen Nachmittag und machten viel Fotos. Ich war relativ souverän hier, da ich schon mal mit Patrick an dieser Stelle geflogen war. Leider war die Anfahrt zum Startplatz zu steil für unsere bepackten Mofas und wir mussten etwas Ballst abwerfen – unser Zelt und Camping Stühle. Als wir zwei Stunden später alles abholen wollten, war nichts mehr da. Mir machte es weniger aus, die Stühle los zu haben, aber ein neues Zelt musste auf jeden Fall her!
Paul war so nett, uns Unterkunft in Manilla anzubieten. Im gleichen Atemzug wollte er uns überzeugen, noch ein paar Tage zu bleiben und mit seinem Auto nach Manilla mit zu fahren, da unsere Mofas zu der Zeit nicht zu überzeugend aussahen. Das mussten wir ablehnen – auf keinen Fall würden wir 120 km nördlich von Sydney schon aufgeben.
Stattdessen verbrachten wir einige Stunden mit Reparaturen. Abgesehen von Kleinigkeiten wie Plattfuss, abgerissenen Kupplungskabeln, Vergaserproblemen, kaputtem Licht und sechs Stunden investierter Arbeitszeit in Jogi’s Zündung war alles in Ordnung.
Die meisten Leute, die wir unterwegs trafen, fanden unser Vorhaben amüsant. Aber keiner mochte so recht daran glauben, dass wir es bis Brisbane schaffen würden. Das konnte uns keineswegs entmutigen.
Nächster Halt war Wybung Head im Lake Munmorah Recreation Park. Dann kam der Regen. Nachdem wir unser nagelneues, aber nasses Zelt eingepackt hatten, 2.5 Stunden durch schüttenden Regen mit Gegenwind gefahren waren, dabei hofften, keine Pannen zu haben, kamen wir schließlich in Newcastle an. Durchnässt und fertig mit den Nerven entschieden wir uns, übers Wochenende zu bleiben. Da der Regen aber nicht aufhörte, war trotz Fluggebiet Alternativprogramm angesagt: pub.
MANILLA
Um nach Manilla zu kommen, mussten wir von der Küstenstrasse abbiegen und den New England Highway hochfahren. Wir erlebten einige schöne 100-130 km-Tage mit (fast) keinen Mofa-Problemen und ohne Regen. Zum ersten Mal konnten wir die Fahrt richtig genießen und ich tauschte meinen Helm für einen Strohhut aus. Das fand Beachtung bei einem Polizisten, der uns an unsere Pflichten erinnerte. Er war ein netter Kerl und platzierte sich auf Anfrage gern auf mein Mofa zum Foto-Shooting.
Zwanzig Kilometer vor Manilla hielten wir an einem country pub, um einen kleine Rast einzulegen und stellten erstaunt fest, dass wir unser (inzwischen zweites) Zelt verloren hatten. Jogi wollte umdrehen und es suchen, während ich mich in den pub begab. Als dann die Schreckens-Geschichten der Ortsansässigen über regelmäßige Besuche des Rettungshubschraubers in Manilla vorbei waren, amüsierte ich mich gut.
Ein Pferdefarmer schlug vor, mein Mofa für sein Pferd einzutauschen. Das lehnte ich dankbar ab, aber der nette Mensch hat mir gezeigt, wie man reitet und als Gegenleistung durfte er Mofafahren. Jogi staunte nicht schlecht, als er (ohne Zelt natürlich) zurückkam und ich gerade hinterm pub auf dem Pferd saß.
Dann lehnten wir das Angebot des Farmers ab, uns eine Ente mitzugeben, die seiner Meinung nach hilfreich für das Gleitschirmfliegen wäre, da sie instinktiv die richtige Lenkungsmanöver andeuten wurde. Schließlich machten wir uns unter lautem Gejohle des gesamten pubs auf den Weg.
Endlich kamen wir im australischen Gleitschirm-Mekka an, Manilla. Wir waren beeindruckt von den Künsten von einigen der weltbesten Piloten und schauten genussvoll zu, wie sie in der Thermik nach oben zirkulierten. Wir blieben drei Tage lang und flogen jeden Nachmittag, sobald das Startfenster für die Teilnehmer schloss. Ich war äußerst nervös vor meinem ersten Inlandsflug, aber Paul Coxy erklärte uns die Gegend und Landeplätze.
Mein erster Start war vom “west launch” und der Wind war stark genug zum Berg-Soaren, was ich von der Küste her gewohnt war. Paul war ebenso in der Luft und nach einer knappen Stunde hat er mir zugerufen, über den Sattel Richtung Osten zu fliegen. Ich war mir sicher, genügend Höhe zu haben, um de vorgesehen Landeplatz bei Godfrey’s Haus zu erreichen, der fünf km weit weg war. Mit großer Erleichterung und herrlichem Hochgefühl beendete ich meinen ersten Crosscountry-Flug.
Während den nächsten zwei Tagen absolvierten wir mehrere schöne Flüge und ich schaffte es, ein paar Aufwinde zu erwischen. Paul versuchte uns von seiner Idee des „parascootering“ zu überzeugen – anstatt loszurennen sollten wir die Mofas als Starthilfe benutzen. Da wir dafür keine Lizenz hatten, lehnten wir ab.
Nach drei klasse Tagen ging unsere Mission weiter. Wir steuerten wieder Richtung Küste und wählten die Route durch den Dorrigo National Park und über die Great Dividing Range, der einzigste wirkliche Bergzug Australiens.
Den ersten Tag verbrachten wir auf Schotterstraßen, was uns und die Mofas ordentlich durchschüttelte. Dann haben wir uns verfahren und ein kopfschüttelnder Farmer hat uns mitten im Nichts aufgelesen. Er fand unsere Aktion witzig und versorgte uns mit Essen, Übernachtungsmöglichkeit und Benzin – von allem drei hatten wir ordentlich Bedarf.
Nirgends konnten wir nur eine Sekunde lang anhalten, ohne dass uns jemand über die Mofas, das Gleitschirmfliegen oder den Sinn unseres Vorhabens ausfragte – meistens Männer mittleren Alters und leider, keine einzige Frau. Das war ziemlich enttäuschend und wir überlegten uns, den Trip in eine Geschlechterstudie umzuwandeln.
Die Bergstrecke begann mit Regenwald-Landschaft, die uns mehr an Irland als an Australien erinnerte. Natürlich regnete es und die Mofamotoren mochten weder die steilen Anstiege noch die schnellen Abfahrten. Die Kette der Zündapp riss, aber wir konnten sie wieder flicken. Nach einer steilen, aber landschaftlich reizvollen Abfahrt kamen wir schließlich in Bellingen an, verbrachten dort ein paar Tage und besuchten regelmäßig den pub mit Live-Musik.
Letztendlich trafen wir wieder auf die Küstenstrasse und machten uns auf Richtung Byron Bay, wo wir Andrew Polidano treffen wollten. Unterwegs wollten wir bei Lennox Head fliegen gehen, aber leider blies der Wind von der falschen Richtung. Inzwischen war ich in der Lage, Fluggebiete einzuschätzen, Winde zu analysieren und Landegebiete ausfindig zu machen.
BYRON BAY
Auf Byron Bay hatte ich mich gefreut, da ich schon ein paar Mal zuvor dort gewesen war. Jedoch erwies es sich als kleines Disaster: wir verpassten Andres, der in Manill war, es fing mal wieder zu regnen an und hörte drei Tage lang nicht auf und wir campten an einem Sumpfgebiet zusammen mit der gesamten Australischen Mosquito-Population.
Die ganzen "Go slow on the H2O", "Have 3 minute showers, NSW is in a drought" Schilder erschienen uns ziemlich ironisch, da wir seit Beginn unserer Tour keine drei Tage am Stück ohne Regen hatten. Aber das war Teil des Abenteuers.
Wir waren nun schon nahe unserem Ziel Brisbane und verspürten einen Drang, schnell dorthin zu gelangen, ein Auto zu mieten und weiter Richtung Norden nach Rainbow Beach zum Sanddünenfliegen zu fahren. Aber erst mussten wir die letzte Runde einläuten, 200 km bis Brisbane.
Dann fing die Zündapp zu bocken an. Es war wiederum die Zündung und diesmal hatten wir keine Ersatzteile mehr. Sie lief immer noch, Tendenz fallend, und fünf Kilometer vor Ziel krochen wir mit 10 km/h Geschwindigkeit. Nach 1721 km auf den Mofas rissen wir uns nochmals zusammen und kamen bei meinem mate Julian bei Einbruch der Dunkelheit an – geschafft.
Die Mofas waren genauso am Ende wie wir selber, aber was soll’s – wir hatten unser Endziel erreicht. Glücklicherweise war an diesem Wochenende St. Patrick’s Day und wir hatten genügen Gelegenheiten dieses historische Ereignis in den Irish Pubs Brisbanes zu feiern.
Eine Woche bevor Jogi zurück nach Deutschland musste, mieteten wir uns ein Auto und fuhren Richtung Rainbow Beach. Wir waren ziemlich beeindruckt, wie weit man an einem Tag in einem Auto fahren kann im Vergleich zu einer 100km-Tagesfahrt auf einem Mofa. Rainbow Beach war schließlich der Höhepunkt unserer Tour in der Kategorie Gleitschirmfliegen: wundervolles Soaren über den farbigen Sanddünen den ganzen lieben langen Tag.
Jogi machte super Fotos von meinen Flugkünsten und ich versuchte, so spektakulär wie möglich auszusehen für die Presse – was sofort mit zwei Bruchlandungen bestraft wurde. Zum Glück werden solche Fehler auf Sanddünen verziehen.
Am Ende ging’s nochmals nach Byron Bay, wo wir von Andrew Polidano herzlich empfangen wurden. Er zeigte uns sein Dreirad-Fahrrad mit angebrachtem Paramotor und normalen Karabinern für den Gleitschirm. Was für ein klasse Gefährt! Jogi war sofort inspiriert und plant nun eine Canada/USA-Reise mit so einem Gefährt und einem 1955 Dürkopp Moped. Andrew ist dabei, eine neue Pilotenlizenz für das Dreirad in Australien einzuführen, aber erst muss er sich selber das Fliegen damit beibringen.
Danach begaben wir uns nach Crystal Cove, um Andrews Fluggebiet auszutesten. Am nächsten Tag flog Jogi heim und ich zurück nach Sydney – mit dem Flugzeug versteht sich.
Diese Tour war ein fantastisches Abenteuer. Für mich als Gleitschirm-Anfänger war es von unschätzbarem Wert, so viele verschiedene Gebiete zu fliegen. Ich lernte viel durch die Gespräche mit so vielen Piloten und konnte deren Rat direkt anwenden.
Die vielen Stunden auf den Mofas waren mentale Regeneration, da man viel Zeit zum Nachdenken hatte. Ich hoffe, diese Geschichte kann einige Leute inspirieren, ihre Träume auszuleben und vom Alltag etwas loszukommen.
Ein grosses Dankeschön an unsere Unterstützer hier in Deutschland und in Australien.
Ein Dank auch an Dunja Welzel, die unserem blauen Hummer in der Lobster-Art viele Gesichter gegeben hat, an Guido Schmid, der beim Umbau der Mofas mitgeholfen hat sowie an Janosch Junger, der diese Webseite während der Tour gepflegt hat.
Tobi und Jogi
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Fliegertreff: |
Paraglide Paragliding
Andrew Polidano
Standort: Byron Bay an der Nordküste von New South Wales
Telefon aus Deutschland: 0061(0) 2 6684 3510
Handy aus Deutschland: 0061(0) 428 666 843
www.poliglide.com
info@poliglide.com
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Sponsor: |
Tobias Kaupp und Joachim Feßler aus Weingarten
www.fh-weingarten.de/~fessler/bluelobster_aus/D/Start/start.html
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