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Italien - Drachenfliegen - Szenen einer Ausbildung , wahrscheinlich 2 Wochen

Am Samstag, dem 11. Juli 1998, begann unsere Ausbildung. Wir trafen uns zur Vorbesprechung in Penzberg, einer Kleinstadt zwischen München und Garmisch-Partenkirchen. Dort fand für die meisten von uns vor kurzer oder langer Zeit die Grundausbildung zum Erwerb des notwendigen L-Scheins statt. Rund 50 Starts (und auch ungefähr 50 Landungen bzw. Bodenberührungen) mussten absolviert werden aus Höhen von 20 bis 55 Metern. Dafür lohnt sich keine Gondel und kein Taxi, also war Laufen angesagt. Nicht umsonst kursiert ab dem zweiten Tag der Begriff "Straflager Penzberg". Schlimmer konnte es nicht kommen - dachten wir!

Ort: Castelluccio
Dauer: wahrscheinlich 2 Wochen
 
Abfahrt...

Sonntag früh, sehr früh, ging es dann los Richtung Italien. Entweder im eigenen Auto oder per Miet-VW-Bus wurden die rund 850km bewältigt.
Über den Brenner ging es dann weiter durch Verona, Modena zur Adriaküste, an Rimini vorbei, weiter bis Ancona und schließlich ins Landesinnere.

Ankunft...

Irgendwann am späten Nachmittag trafen wir mehr oder weniger erschöpft im kleinen Bergdorf Castelluccio ein. Das ist ungefähr dort, wo man sonst nie hinfindet. Damit man überhaupt dorthin findet, ist eine genaue Wegbeschreibung dringend nötig (Recht klicken und schon seit ihr da).

Unser Ziel: Castelluccio (1452m über NN)

Das Faszinierende ist die Tatsache, daß kaum ein Baum, kein Zaun oder Haus den riesigen Landeplatz, das Piano Grande, versperrt. Für Flugschüler ein ideales Trainingsgelände, denn von Punktlandungen kann am Anfang keine Rede sein. Abstände von bis zu einem halben Kilometer vom Peilpunkt sind die Regel.
"Die gut kalkulierbaren Wetterverhältnisse erlauben immer den Start von einem der vielen möglichen Startplätze", hat man uns versprochen. Daß das nicht immer so war, haben wir schnell festgestellt, besonders dann, wenn die ganze Kolonne von einem zum nächsten Platz fährt, um vor Nebel, falschem Wind oder Dust-Devils zu fliehen. Irgendwann kommt die Thermik, und die ist nun auch nicht gerade hilfreich, wenn noch etwas Sicherheit und Vertrauen ins Gerät fehlt. Aber wir waren uns einig: Wenn wir nochmal hierher kommen, machen wir unsere eigene Wettervorhersage.

Das Dorf

So richtig viel zu sehen gibt es hier nicht. Fern der Großstadthektik kann man hier mal wieder Mensch sein, die Beine baumeln lassen und urwüchsige Italiener bewundern. Außer Sonntags. Dann kommen einige hundert (italienische) Touristen und nutzen Castelluccio als Ziel für einen Tagesausflug.



Die einzelnen Peaks

Forca di Presta

Ein meist recht windiger aber schöner Startplatz ist die Forca. Hier starten die alten Hasen und zeigen uns Anfängern mal, wie eine richtige Toplandung auszusehen hat.
Christian:
"Steht der Drachen falsch zum Hange,
verbiegts dem Roland gleich die Stange!"


Hier erlebten die meisten von uns auch ihren ersten Höhenflug mit ca. 420m Höhenunterschied zum Landeplatz. Viel lernen konnten wir von unseren Lehrern Wolf und Wolfgang, die uns mit einigen Flügen bis hoch zum Vettore die Technik möglichst anschaulich vermittelten.

Piano Grande

Das ist die große Ebene, an deren einer Seite sich der Rotonda erhebt. An diesem Hügel (ca. 110m) verbrachten wir die ersten Tage und bereiteten uns mit unzähligen Starts auf die Höhenflüge vor - Puh!

Monte Vettore

Über ihm zu kreisen ist sicher der Höhepunkt einer Reise nach Castelluccio. Leider war es unserem Kurs nicht vergönnt, dazu fehlte uns das richtige Wetter und die notwendige Praxis. Aber die neidvollen Blicke konnte man leicht erkennen, wenn wir abends den erfahrenen Piloten sehnsuchtsvoll nachschauten. Es war immer spannend zu sehen, ob die richtige Thermik, der richtige Aufwind gefunden wurde, um ganz hochzusteigen.

Die Ausbildung

Sie war gut. Wirklich gut. Oft haben wir Flugschüler anderer Schulen oder offensichtliche Scheininhaber starten und landen sehen, und sie haben einen Fehler nach dem anderen gemacht. Kontrollblick vergessen, Bremsen nicht losgelassen, 'reingesetzt, gedrückt, vorm Landen nicht aufgerichtet usw. usw. usw. Irgendwie doch nicht schlecht, die deutsche Gründlichkeit. Solange der Fun stimmt.

Keine Regel ohne Ausnahme. Oder anders gesagt: Üben mussten wir auch! Für die Drachenflieger war es immer etwas schwieriger. Während die "Glitschis" schon von oben starten durften, mußten die Drachen noch Starten und Landen üben.
Sabine:
"Der Drachen wird noch zusammengebaut,
der Glitschi schon von oben schaut!"

Das konnte so natürlich nicht im Raume stehenbleiben.
Jörg:
"Wenn der Glitschi nur noch trudelt,
der Drachen in der Thermik jubelt!"

Nun ja...

Immer wieder wurden kurze Besprechungen gemacht. Jeder(!) Flug von allen Schülern wurde einzeln bewertet. Viele waren schnell sehr gut.
Wolf:
"Super Gruppe. Wahnsinn! Schon am zweiten Tag bereit für Höhenflüge. Ihr habt echt Glück."
Wenn jedoch das Wetter nicht mitspielte, also zuviel Wind, zuwenig Wind, zuviel Thermik oder sonstige Anomalien herrschten, wird halt Theorie unterrichtet.
Insider von Michael:
"Beim Warten auf den Höhenflug vergreist."

Nach dem "Straflager Penzberg" dachten wir, es könnte nicht mehr schlimmer kommen. Weit gefehlt, es kam der "Rotonda" im Piano Grande: "Flieger, wollt ihr ewig leben?". Wenn einem irgendwann der Schweiß beim Bergauflaufen von innen an die Brille tropft, dann hilft nur noch Gruppendynamik.
Sabine:
"Dreht der Wind zum Hang hin quer,
dann haben es die Drachen schwer.
Das schlägt ihnen furchtbar auf den Magen,
sie müssen das Zeug jetzt rübertragen."



Die Gruppe

Selten treffen so viele so unterschiedliche Charaktere aufeinander. Vom Facharbeiter über den Kneipenbesitzer, Kameramann, Unfall-Chirurgen, Ingenieur, angehenden Alleinunterhalter, die Kommunalangestellte bis zum Fluglotsen war alles vertreten. Beim gemeinsamen Abendessen gab es viel zu erzählen, und bis zum Ende der Ausbildung ist eine ganze Menge zusammengewachsen.


Gut, daß Achim dabei war. Am Ende des Lehrganges war sein Notfallkoffer ziemlich geplündert. Leider sind ein paar Teilnehmer dann doch für den Rest der Ausbildung ausgefallen bzw. hingefallen und dann ausgefallen.

Sabine:
"Der Drachen fliegt wie'n Albatros,
so vogelgleich und froh.
Doch leider, was man sagen muß,
landet er auch so!"

Aber "Doc Achim" gab uns die nötige Sicherheit: "Schon mal ein italienisches Kleinstadtkrankenhaus von innen gesehen?"

Sabine:
"Ein Drachensegel flattert laut,
wenn mans bei Sturm zusammenbaut.
Und wenns im Sturzflug richtig knattert,
ist der Pilot stets ganz verdattert!
Er drückt die Basis weg und denkt,
so'n Drachen von alleine lenkt.
Doch da's nicht immer funktioniert,
der Drachen erstmal kräftig giert.
Schießt rauf und runter, kreuz und quer,
da muß nun wohl die Rettung her.
Der Schirm sich bläht, das Segel bremst,
mit halber Kraft im Berg reinremst.
Pilot gesund, der Drachen Schrott,
hat Glück gehabt, oh Gott oh Gott!"


Kleiner Tip für zukünftige Reisen: Tragt bitte die nötigen Versicherungsnachweise, Auslandskrankenscheine und Allergiepässe bei Euch :-)

Der erste Höhenflug von der Forca war für viele ein Schlüsselerlebnis. So ein Gefühl erlebt man sehr sehr selten und meistens nur ganz kurz.
Und dieses Gefühl ließen wir dann auch richtig heraus.
Und abends? Pasta - Pasta - Pasta im Restaurant Sibilla und viele kreative Stilblüten.
Foto: © Mike Moritz


Am letzen Tag hatten wir unseren schönsten Flug: rund 30 Minuten sanftes Soaring am Hang des Fontanile. Danke Wolfgang für dieses Erlebnis!
Nach der Landung war die Stimmung absolut euphorisch, wir lagen uns in den Armen. Die Vairo-Verkaufszahlen gingen danach sprunghaft in die Höhe.
Abends musste das natürlich gefeiert werden, und so traf sich der harte Kern im Bus zur Bus-Party bis spät in die Nacht.
Sabine:
"Die Drachen haben nicht gut lachen,
wenn sie die Landung rückwärts machen!"


Viele gute CDs, Chips und Grappa sorgten für die richtige Stimmung, Extrem-Dummschwätzing, Extrem-Feiering usw.

Die Prüfung

Eine recht große Anspannung und Nervosität machten sich breit. Nach 10 Tagen Castelluccio verbrachten wir die restlichen Tage in Bruck/Zillertal. Dort fand dann schließlich die eigentliche Prüfung statt, Theorie und Praxis.

Büffeln

Apropos Theorie. Im Zillertal angekommen, begann dann auch der letzte damit, die Theorie zu pauken. Immerhin rund 600 Fragen sollten verstanden und gelernt werden. 80 kommen in der Prüfung vor.

Unterschiedlichste Lernmethoden kamen zur Anwendung: "Ich lese immer drei Seiten, gehe dann zwei Seiten zurück und lesen wieder drei." oder "Ich kreuze nur die Fragen an, die ich sofort kann, bis irgendwann alle angekreuzt sind". So schlimm war die Prüfung dann aber doch nicht.
Die praktische Prüfung erforderte nochmals die volle Konzentration, zumal ein paar Zwischenfälle nicht gerade ermutigten (Gute Besserung Klaus!).
Engelbert "Robo":
"Hoffentlich ist bei der Prüfung auch Nebel, damit man nicht sieht, was wir für einen Scheiß zusammenfliegen!"
Und dann war es soweit. Yeah! Da kullerten schonmal Tränen der Erleichterung...

Geschafft!

Nachdem fast alle von uns den Schein jetzt haben, sollte man annehmen, wir könnten jetzt fliegen. Doch soweit ist es noch lange nicht. Ein langer Weg beginnt jetzt.
Unser Prüfer:
"Fliegen lernt Ihr erst später. Ich will sehen, ob Ihr heute das Gerät fliegt oder ob das Gerät Euch fliegt!"

Zufrieden

Endlich den Kopf frei für ein entspanntes Gruppenfoto. Ist schon ein gutes Gefühl...

Anfahrt: schwierig wie beschrieben, aber die Loesung liegt rechts auf dem button. Einfach druecken und die 1300 Km (con Frankfurt) sind ein Kinderspiel....

Sponsor: Peter Koerner
www.peterko.de

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